Offener Brief an Bundestag 2/2023

Der nachfolgende Offene Brief an die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages wurde auch an ca. 400 weitere Abgeordnete versendet.

Offener Brief

An
elisabeth.winkelmeier-becker@bundestag.de 28. Februar 2023
Antrag auf Textergänzung im Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker!
Wir wenden uns an Sie als Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag.
Im Blick auf das noch abschließend zu beratende Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der
Energiewende bitten wir Sie hiermit, einen von uns wahrgenommenen Mangel ernsthaft zu bedenken und
für seine Behebung Sorge zu tragen. Die 1.Lesung des Gesetzentwurfs vom 7. 2. 2023 im Parlament-TV
hat uns gezeigt, dass keiner der Abgeordneten die mögliche gesundheitliche Belastung durch die
Funksignale der gepriesenen smarten Stromzähler erwähnt hat.
Wenn der Einbau intelligenter Stromzähler auch bei Kleinstverbrauchern ab 2025 zulässig ist und ab
2028 die Messstellenbetreiber sogar verpflichtet sind, die Zähler stufenweise bis spätestens 2032
einzubauen, könnte dies zur Folge haben, dass ein kleinerer Teil der Bevölkerung, nämlich sogenannte
elektrosensible Mitmenschen (ca. 7 % der Bevölkerung fühlen sich so) kaum mehr in ihren Wohnungen
leben können. Sie reagieren auf Hochfrequenzstrahlung (Mobilfunk) mit dem „Mikrowellensyndrom“,
also körperlichen Beschwerden wie Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Gliederstechen,
Schlafproblemen, Herzproblemen oder Blutdruckentgleisungen. Von ihnen handelt z.B. das Buch der
Ärztinnen Christine Aschermann und Cornelia Waldmann-Selsam „Elektrosensibel – Strahlenflüchtlinge
in der funkvernetzten Gesellschaft“ (2018); das Buch von Renate Haidlauf „Die unerlaubte
Krankheit“ bringt Dutzende eindrückliche Fallbeispiele.
Solche Betroffenen finden heute schon schwer einen verträglichen Wohnraum, weil die neue
Heizkosten-Verordnung vom 01.12.2021 für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fernablesbare
Verbrauchszähler für Wärme und Wasser vorschreibt. Diese Geräte senden in geringen Abständen einen
kurzen, aber für sie lästigen Funk-Impuls. Wissenschaftliche Untersuchungen wie etwa die des
Biochemikers Prof. Dr. Martin L. Pall haben gezeigt, dass selbst kurze Funkimpulse im Nanosekunden-
Bereich den Kalziumstoffwechsel der Zellen negativ beeinflussen können, was zu neurodegenerativen
Krankheiten führen kann. Deshalb raten Pall und uns bekannte Ärzte wie Dr. Joachim Mutter in
Freiburg i.Br. von Smartmetern ab. Bitte in folgendem Link zum Video von Pall die Seite
runterscrollen:
(https://ehtrust.org/educate-yourself/health-risks-posed-by-smartmeters/).
Elektro(hyper)sensibilität ist vergleichbar mit einer Art Allergie auf Funkstrahlung, wobei schon
kleinste Dosen weit unterhalb der offiziellen Grenzwerte heftige Symptome auslösen können. Stellen
Sie sich bitte vor, man würde einem Pollenallergiker in seiner Wohnung ununterbrochen verschiedene
allergene Stoffe zwangsweise zuführen, Tag und Nacht; und wenn er die Wohnung verlässt, wird er mit
weiteren Pollen aus dem öffentlichen Raum unausweichlich konfrontiert, so dass er keine Möglichkeit
mehr hat, sich zu erholen. Das würde man zu Recht als eine Art Folter bezeichnen. Elektrosensible
Menschen sind in einer vergleichbaren ähnlichen Lage; viele sind verzweifelt wegen ihrer ausweglosen
Situation. Es wäre daher dringend zu wünschen, diesen Menschen im Gesetzestext eine Widerspruchsmöglichkeit
gegen Funkzähler in ihrem Zuhause zu gewähren. Auch rechtstechnisch ist es geboten,
Menschen im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit nicht gegen ihren Willen für sie schädliche Zähler
aufzuzwingen, nur weil sie auf Stromnutzung angewiesen sind. Der Vertrag mit dem
Messstellenbetreiber gehört dem Bürgerlichen Recht an, und insofern sollte eine Vertragsfreiheit
prinzipiell garantiert sein.
Ein Zwang zu einem nicht einvernehmlichen Vertragsschluss würde hingegen dem Öffentlichen Recht
zuzuordnen sein, und es müsste dann wie bei einem Verwaltungsakt einer Behörde ein
Widerspruchsrecht des Betroffenen nach den Regeln der Verwaltungsgerichtordnung geben. Der im
vorliegenden Gesetzentwurf kompromisslos normierte Zwang aber entspricht weder den Regeln der
Vertragsfreiheit im Bürgerlichen Recht noch dem Gebot der Widerspruchsmöglichkeit des
Verwaltungsrechts. Es ist ein Zwang im rechtsfreien Raum und entspricht nicht der Rechtstaatlichkeit
in einer Demokratie.
Zudem wird das bürgerliche Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art.13 Abs.1 GG)
eingeschränkt, und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) wird aus den
genannten Gründen zu wenig respektiert. Im Übrigen kommt wohl auch das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) zu kurz, aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls können Grundrechte bekanntlich nur unter den Voraussetzungen des Art.19 GG
eingeschränkt werden: Das Gesetz muss die Grundrechteinschränkungen unter Angabe der verletzten
Grundrechts-Artikel ausdrücklich benennen gem. dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG.
Außerdem muss das Gesetz verhältnismäßig sein. Der vorliegende Entwurf entspricht nicht dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da er für vulnerable Gruppen keinerlei Ausnahmen vorsieht, deren
fundamentalste Rechte er verletzt – insoweit dürfte er sogar als verfassungswidrig einzustufen sein.
Wir möchten daher einen Textvorschlag eines ausdrücklichen Widerspruchsrecht für Betroffene
formulieren:
„Die betroffene Person hat das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation
ergeben, jederzeit Widerspruch einzulegen gegen den Einbau eines fernablesbaren bzw.
funkenden Zählers sowie gegenüber Technologien, die Datenübertragung mittels aufmodulierter
Signale über die häuslichen, in der Regel unabgeschirmten Stromleitungen unter Verwendung
von Powerline Communication (PLC, D-LAN) betreiben. Unter einer besonderen Situation
können glaubhaft gemachte gesundheitliche Diagnosen verstanden werden, denen zufolge eine
Hypersensibilität gegen elektromagnetische Strahlung besteht (Elektrosensibilität, ferner MCS =
Multiple Chemikalien Sensibilität).“

Bitte setzen Sie sich für eine entsprechende Lösung ein – im Namen von Menschlichkeit, Recht und
Gerechtigkeit. Ohne Wohnung ist ein Leben in Menschenwürde schwer möglich. Helfen Sie mit, dass
das neue, so wichtige Gesetz nicht manchen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Wohnen gleichsam
zur Hölle macht! Ethisches Handeln gebietet, dass man anderen Menschen keinen Schaden zufügt.
Der neueste 311- seitige Bericht des Ausschusses für Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) vom
14. Februar 2023 (Drucksache 20/5646) stellt diesbezüglich übrigens einen Schritt in die richtige
Richtung dar; er trägt den Titel: „Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener
Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF)“
(https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005646.pdf).
Wir hoffen auf Ihr Verständnis, hören gerne von Ihnen und grüßen Sie freundlich!

Gerd Pfister, 2. Vorsitzender, Leiter der Arbeitsgruppe Smartmeter des
Vereins für Elektrosensible und Mobilfunkgeschädigte e.V.
c/o Paritätischer Wohlfahrtsverband
Charles-de-Gaulle-Str. 4
81737 München
e-mail <kontakt@elektrosensibel-muenchen.de>

Literaturhinweise:
Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, 2012
Ursula Niggli: Land im Strahlenmeer. Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen
bei Mensch und Tier – eine europäische Diskussion, 2017
Franz Adlkofer u.a.: Elektrohypersensibilität. Risiko für Individuum und Gesellschaft, 2018
Martin L. Pall: 5G als ernste globale Herausforderung. Beweise für acht große Gesundheitsgefahren
durch elektromagnetische Felder (EMF) und ihre Wirkmechanismen, 2019
Margit Krug: Lauschangriff durch smarte Zähler, 2020
Renate Haidlauf: Die unerlaubte Krankheit, 2022