Muster-Widerspruchsschreiben gegen elektronische Stromzähler

Der Verein für Elektrosensible und Mobilfunkgeschädigte in München hat ein Muster-Widerspruchsschreiben gegen den Einbau von elektronischen Stromzählern in Deutschland auf seiner Internetseite veröffentlicht. https://www.elektrosensibel-muenchen.de/smarte-stromzaehler/articles/Stromzaehler.html

Wir betonen anbei, dass der Entwurf vom 21.05.2019 weder als „rechtliche Beratung“ zu verstehen ist noch Anspruch auf irgendeine Beratungstätigkeit von Seiten der erwähnten Arbeitsgruppe impliziert. Auch der Münchner Verein für Elektrosensible kann eine solche Beratungstätigkeit nicht leisten. Sollten Sie Hilfe für Probleme mit dem Messstellenbetreiber benötigen, wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens.

Unverbindlicher Ratschlag für ein Widerspruchsschreiben gegen den Einbau von digitalen Stromzählern, sogenannten modernen Messeinrichtungen sowie intelligenten Messsystemen (Entwurf vom 21.05.2019)

Sehr geehrte Damen und Herren, 

in Ihrem Schreiben vom …………… kündigen Sie an, dass Sie meinen bisherigen analogen Ferraris-Stromzähler gegen einen neuen digitalen Stromzähler, eine sogenannte „moderne Messeinrichtung“ austauschen wollen.

Hiermit lehne ich entschieden Ihr Angebot ab, dass Sie als mein grundzuständiger Messstellenbetreiber einen Vertrag mit mir schließen wollen über den Einbau und Betrieb eines digitalen elektronischen Zählers, weil ich hauptsächlich Nachteile davon zu erwarten habe. Und zwar mache ich Einwendungen hinsichtlich Datenspionage, Cyberkriminalität, Blackout-Risiko, Elektrosmog und höheren Kosten geltend. 

Eine „moderne Messeinrichtung“ ist zwar noch nicht mit einem Smart-Meter-Gateway verbunden, bereitet dessen Installation aber vor und kann ab 2020 nach Belieben des Messstellenbetreibers zu einem „intelligenten Messsystem“ aufgerüstet werden – auch bei Kleinverbrauchern mit einem Jahresverbrauch unter 6000 kWh.

Soweit Sie sich darauf berufen, dass das Messstellenbetriebsgesetz (MSBG) von 2016 eine zwangsweise Einbaupflicht vorsieht, die meine Zustimmung zum Abschluss eines privaten Vertragsverhältnisses ersetzt und keinerlei Widerspruchsrecht vorsieht, halte ich dagegen, dass einige Vorschriften dieses Gesetzes gleichwohl meine Grundrechte und den Datenschutz verletzen. Ich berufe mich insbesondere auf meine Grund- und Menschenrechte auf die Unverletzlichkeit der Wohnung, auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf informationelle Selbstbestimmung:

1. Zum Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung: Es gilt der Grundsatz: My home is my castle. Der private Rückzugsraum in den eigenen vier Wänden ist bekanntlich ein hohes rechtliches Gut, ja ein Menschenrecht. Jeder Mensch braucht diesen einen Ort, an dem er unbeobachtet und in möglichst jeder Hinsicht unbelästigt bleibt. Die Installation von datensammelnden Überwachungszählern kann als ein elektronischer Hausfriedensbruch empfunden werden. Heiko Maas hat in einer Rede als Bundesjustizminister unterstrichen: „ Es gibt ein Recht auf eine analoge Welt – Über den Grad der Digitalisierung seines Lebens in den eigenen vier Wänden muss jeder selbst bestimmen können.“

2. Zum Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit:  Durch Spannungsschwankungen können hochfrequente Felder entstehen, die sich kapazitiv an den Körper ankoppeln und Stress erzeugen. Forschungen zeigten, dass diese Form von Elektrosmog Krebs erregen kann. Bei einem „intelligenten Messsystem“ mit Smartmeter-Gateway kämen noch ständige Funkemissionen hinzu, die ebenfalls karzinogen sind, wie gerade neuere Forschungen aus Italien (Ramazzini-Institut) und den USA (National Toxicology Program) dartun.

Auch bei der Anbindung des Zählers über Powerline Communication (PLC-basierte Technologie) entstehen hochfrequente Felder im Kurzwellenbereich: Sie stören nicht nur den Radioempfang, sondern bereiten empfindlichen, namentlich elektrosensiblen Menschen erfahrungsgemäß Schmerzen. In einem Rechtsstaat muss daher individuell Schutz vor permanentem Elektrosmog in Privaträumen möglich sein.

Unabhängig von den behördlich festgelegten, extrem hohen und in der Öffentlichkeit entsprechend umstrittenen Obergrenzen für Mobilfunkstrahlung halte ich mich an jene Wissenschaftler, die international von Risiken für die Gesundheit auch unterhalb jener bloß thermischen Grenzen ausgehen. Entsprechende Forschungsergebnisse werden insbesondere seit 2018 auch in der Mainstream-Wissenschaft präsentiert. So betonte Sarah Drießner vom Forschungszentrum für Elektromagnetische Umweltverträglichkeit (femu, interdisziplinäre Einrichtung der Uni-Klinik Aachen) im Frühjahr 2019 auf der Basis eines Überblicks über mehr als 27.000 Veröffentlichungen zum Thema: „Lange sei man davon ausgegangen, dass elektromagnetische Felder nur thermische Auswirkungen hätten; die jüngsten Studien untermauern dagegen die Ansicht von WHO und IARC, „wonach hochfrequente Mobilfunkstrahlen möglicherweise krebserregend sein könnten…“ (https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2019/04/5g-vergabe-berlin-gesundheit-risiken.html).Die eingesetzte Übertragungstechnik bei Funklösungen ist darauf ausgelegt, jegliche Baumasse zu durchstrahlen. Ich gehe davon aus, dass Sie meine wissenschaftlich begründbare Ablehnung von E-Smog emittierenden Technologien innerhalb meiner Privaträume respektieren. 

3. Zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz: Die Funktion einer permanenten Übertragung von Verbrauchsdaten und weiteren Zählerinformationen widerspricht nach meiner Überzeugung dem Minimierungsgebot der Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Millionen von Datenpaketen in einem Jahr mit jeweils bis zu sieben Zählerinformationen sind unverhältnismäßig. Transparenz der Datenverarbeitung ist im Zeitalter fortschreitenden Digitalisierung nicht erkennbar; nicht zu leugnen sind hingegen Hackergefahren. Eine Datensouveränität ist nicht gegeben, solange mir als Letztverbraucher keine Herrschaft über die Technik bzw. Funktion der Datenübertragung zugebilligt wird. Es besteht keine Interventionsmöglichkeit; und es ist auch nicht erkennbar, wie die Vertraulichkeit, Integrität, Intervenierbarkeit, Transparenz und Nichtverkettbarkeit (gem. § 9 BDSG) der erhobenen Daten gewährleistet werden.

Bei der Einschränkung meiner genannten Grundrechte wird gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoßen, insofern das Messstellenbetriebsgesetz keinerlei Widerspruchsrecht vorsieht und unterschiedliche Messstellenbetreiber nicht schon eine wählbare Alternative hinsichtlich der Übertragungstechnologien garantieren. Insofern halte ich die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes sogar für verfassungswidrig. Der Bundesrat hat im Gesetzgebungsverfahren 2016 ausdrücklich 

angemahnt, dass den Bürgern ein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht gegen diese umstrittene Technologie eingeräumt werden sollte. In Bayern hält der Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. W. Petri ein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht bei Einschränkungen der Grundrechte durch smarte Zähler für zwingend erforderlich. In anderen Ländern, z.B. den USA, musste den Bürgern ein nachträgliches Widerspruchsrecht (opt-out) eingeräumt werden, da die Leiden und das Elend vieler Menschen durch die Installation der smartmeter nicht mehr zu leugnen waren. Auch die als Ersatz für smartmeter angebotenen digitalen elektronischen Zähler ohne Funk waren für viele Menschen unerträglich, wurden von ihnen abgelehnt – und am Ende durch analoge Zähler ersetzt!

Selbst wenn das Messstellenbetriebsgesetz kein Widerspruchsrecht vorsieht, so kann man doch das in Deutschland unmittelbar geltende Recht der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anwenden und ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 DSGVO gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten geltend machen: „Die betroffene Person hat das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben e oder f erfolgt, Widerspruch einzulegen…“

Dieses Widerspruchsrecht kann unabhängig vom Einsatz eines Funkmoduls (bzw. Smartmeter- Gateways) auch ganz generell gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten durch digitale elektronische Zähler geltend gemacht werden. (Datenschützer Prof. Dr. Petri: https://www.datenschutz-bayern.de/tbs/tb28/k7.html#7.3)

Im übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie als Messstellenbetreiber gesetzlich verpflichtet sind, die Bürger über ihr Widerspruchsrecht zu informieren, denn es gilt der Grundsatz der Informationspflicht über das Widerspruchsrecht gem. Art. 21 Abs. 4 DSGVO: Zitat:“(4) Die betroffene Person muss spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kommunikation mit ihr ausdrücklich auf das in den Absätzen 1 und 2 genannte Recht hingewiesen werden; dieser Hinweis hat in einer verständlichen und von anderen Informationen getrennten Form zu erfolgen.“ Leider verbreiten Sie auf Ihrer Website und sonstigen Publikationen den Eindruck, dass es generell kein Widerspruchsrecht gebe. Diese Auffassung ist in Zeiten der erhöhten Aufmerksamkeit auf Datenschutz und der Verabschiedung der DSGVO im Mai 2018 nicht mehr haltbar. Wie schon dargelegt, werden vom „intelligenten Messsystem“ personenbezogene Daten über das Smart-Meter-Gateway gesendet. Die Daten erhält das Smart-Meter-Gateway über seine Anbindung an die „moderne Messeinrichtung“. Diese erhebt und speichert die Daten standardmäßig im 15Minuten Takt, und sie bleiben jahrelang auslesbar. Aus all diesen Daten kann man ein Profil erstellen (profiling). Es gibt eben nicht nur die optische Schnittstelle, mit der die Kunden ihre Daten pin-geschützt auslesen können. Vielmehr hat jede „moderne Messeinrichtung“ zusätzlich noch eine bidirektionale Schnittstelle, die eine fernauslesbare, bidirektionale Datenübertragung 

ermöglicht. So ist denkbar, dass künftig dieser elektronische Zähler per Kabel, Internet oder PLC durch die bidirektionale Schnittstelle an Netzwerke angebunden wird und dadurch Dritte Zugriff auf die Daten erhalten – selbst ohne Anbindung an ein Smart-Meter-Gateway!

Deshalb widerspreche ich ausdrücklich der Installation der „modernen Messeinrichtung“ und vorsorglich auch dem Einbau eines „intelligenten Messsystems“ nach den Grundsätzen des Art. 21 Abs.1 Satz 1 DSGVO. 

Mit Blick hierauf betone ich, dass ich mich in einer „besonderen Situation“ befinde, da ich im Zusammenhang mit Elektrosmog seit Jahren gesundheitliche Beschwerden habe und insofern „elektrosensibel“ genannt werden kann (alternativ oder zusätzlich, falls zutreffend: da ich unter Multipler Chemikalien-Sensitivät [MCS] leide, usw.). Bitte bedenken Sie hier, dass das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) warnt: „Personen in der Nähe von drahtlos kommunizierenden Smart Metern sind den elektromagnetischen Feldern der Geräte ausgesetzt und absorbieren einen Teil der ausgesendeten Strahlungsleistung.“ Der Beruhigungsversuch des BfS, dass die funkenden Zähler ja in der Regel im Keller installiert seien und somit ein großer Abstand zwischen dem Sender und den Personen bestehe, trifft ins Leere, gerade bei den am meisten Betroffenen. Denn den vielen Elektrosensiblen, die vor der Strahlung zum Schlafen in ihre Keller zu fliehen pflegen, wird durch die elektromagnetischen Emissionen aus nächster Nähe der letzte Rückzugsort genommen.

Schließlich lehne ich den digitalen Zähler auch aus Kostengründen ab. Die Anschaffungskosten der neuen digitalen Zähler sind hoch. Im Unterschied zur bisherigen Eichfrist für die alten Zähler von 16 Jahren werden die neuen Zähler schon nach 8 Jahren ausgewechselt. Diese Ressourcen-Verschwendung geht auf Kosten der Verbraucher. Der Eigenstrombedarf für den komplexen Betrieb der neuen Messeinrichtungen ist deutlich höher als bei herkömmlichen Zählern – und damit ökologisch kontraproduktiv. Im Übrigen benötige ich persönlich keine „smarten“ Detailinformationen zum Stromsparen.

Ich möchte also definitiv beim bewährten analogen Ferraris-Zähler bleiben, der jahrzehntelang seinen Dienst tut und problemlos funktioniert. Meine Kooperationsbereitschaft zur jährlichen Übermittlung der Zählerdaten erkläre ich ausdrücklich. Mit Dank im Voraus für Ihre Kooperationsbereitschaft und

mit freundlichen Grüßen

P.S.: Bücher und Broschüren, die meine Haltung untermauern:

Franz Adlkofer/Karl Richter: Strahlenschutz im Widerspruch zur Wissenschaft, St. Ingbert 2011Franz Adlkofer u.a.: Elektrohypersensibilität. Risiko für Individuum und Gesellschaft, St. Ingbert 2018

Jan Philipp Albrecht: Finger weg von unseren Daten! Wie wir entmündigt und ausgenommen werden, München 2014 

Christine Aschermann/Cornelia Waldmann-Selsam: Elektrosensibel. Strahlenflüchtlinge in der funkvernetzten Gesellschaft, Aachen 2018

Joel Luc Cachelin: Schattenzeitalter. Wie Geheimdienste, Suchmaschinen und Datensammler an der Diktatur der Zukunft arbeiten, Bern 2014

Karl Hecht: Gesundheitsschädigende Effekte der Strahlung von Smartphone, Radar, 5G und WLAN. Wissenschaftlich begründete Warnung eines Arztes vor den Todsünden der digitalisierten Menschheit, St. Ingbert 2019

Peter Hensinger u.a.: Smart City- und 5G-Hype. Kommunalpolitik zwischen Konzerninteressen, Technologiegläubigkeit und ökologischer Verantwortung, Bergkamen 2019

Werner Maes: Stress durch Strom und Strahlung. Baubiologie: Unser Patient ist das Haus, Neubeuern 20136

Ursula Niggli: Land im Strahlenmeer. Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen bei Mensch und Tier – eine europäische Diskussion, Berlin 2017

Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, München 2012

Shoshana Zuboff: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt a.M. 2018